Was bedeutet Gender Pay Gap?
In Deutschland liegt der Verdienstabstand von Frauen* und Männern* 2020 bei ca. 18 Prozent [1]. Der so genannte „Gender Pay Gap“ bezeichnet diese Lohnunterschiede zwischen Männern* und Frauen*. Lag die Lohnlücke in Deutschland im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 1994 noch bei etwa 24 Prozent, hat sie sich bis zum Jahr 2019 um etwa ein Viertel auf 19 Prozent verringert [2].
Der Abbau geschlechterspezifischer Einkommensunterschiede stellt somit eine zentrale gleichstellungspolitische Aufgabe dar. Dabei geht es heute zumeist nicht mehr nur um die Frage, ob Frauen*, die die gleiche Arbeit verrichten wie Männer* auch gleich bezahlt werden, sondern vielmehr darum, ob der Grundsatz des gleichen Entgelts bei unterschiedlicher, aber gleichwertiger Arbeit auch eingelöst wird. So stellt sich beispielsweise die Frage, warum ein Hausmeister in einer Kindertageseinrichtung mehr verdient als die dort ebenfalls angestellten Erzieherinnen.
Vollzeitbeschäftigte Frauen* arbeiten häufiger als vollzeitbeschäftigte Männer* zu niedrigen Löhnen. 2016 verdienten laut WSI 14 Prozent der Männer*, aber fast 25 Prozent der Frauen* weniger als 2000 Euro brutto im Monat [3]. Wie eine Analyse des Internetportals Stepstone ergab, wächst die Lohnlücke auch, je besser eine Branche vergütet und je höher die Hierarchiestufe ist. Im unteren Management betrage der Unterschied 21 Prozent, auf der Geschäftsführungsebene 42 Prozent. Besonders unfair bezahlt werde in Finanzberufen, im Vertrieb und im Marketing [4].
Selbstständige
Auch Gründerinnen und Unternehmerinnen sind von der Lohnlücke betroffen. Frauen* steigen häufig aus einem Unternehmen aus und machen sich selbstständig in der Hoffnung, so die Gläserne Decke und Widerstände zu überwinden. Allerdings sind die Verdienstunterschiede zwischen Frauen* und Männern* unter Selbstständigen deutlich höher als bei abhängig Beschäftigten. 2010 lag das Einkommen bei männlichen Selbstständigen mit einer Arbeitszeit von mehr als 35 Wochenstunden in der ersten Selbstständigkeit bei durchschnittlich rund 3200 Euro, das der selbstständigen Frauen bei rund 1600 Euro, also bei der Hälfte des Verdienstes der männlichen Kollegen [5].
Alter
Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mitteilt, steigt der Gender Pay Gap auch mit dem Alter. Liegt der Verdienstabstand zwischen Männern* und Frauen* bei den unter 30-Jährigen noch bei 9 Prozent, sind es bei Beschäftigten über 50 28 Prozent. Dies entspricht in etwa einer Verdreifachung des Gender Pay Gaps [6]. Während sich für jüngere Beschäftigte deutliche Verbesserungen der Entgeltgleichheit über die Zeit abzeichnen, ist der Gender Pay Gap für Beschäftigte ab dem Alter von 40 Jahren heute kaum geringer als vor 30 Jahren. Dass der Gender Pay Gap bei den über 40-Jährigen deutlich höher ist, deutet daher darauf hin, dass Alterseffekte eine zentrale Rolle spielen und dass sich die Lohnschere zwischen Frauen* und Männern* im Lebensverlauf nach wie vor zunehmend weitet. Die Zeit der Familiengründung ist dabei ein kritischer Wendepunkt für den Verlauf der Erwerbskarrieren von Frauen* und Männern*. So gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Gender Pay Gap und der Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit. Ab dem Alter von etwa 30 Jahren nehmen Frauen* häufiger und vor allem länger andauernde Elternzeit, darüber hinaus arbeiten sie deutlich häufiger in Teilzeit [2].
Ost- und Westdeutschland
Weiterhin lässt sich erkennen, dass der gesamtdeutsche Trend insbesondere durch die Entwicklung in Westdeutschland geprägt ist. Nach wie vor fällt der unbereinigte Gender Pay Gap im Jahr 2020 in Ostdeutschland mit 6 Prozent viel geringer aus als in Westdeutschland (20 Prozent) [1]. In Ostdeutschland steigt der Gender Pay Gap zwar ebenfalls mit dem Alter, jedoch verläuft der Anstieg deutlich moderater: Die Verdienstlücke bei den unter 30-Jährigen liegt bei sechs Prozent, steigt daraufhin bis zum Alter von 42 Jahren auf 15 Prozent an und stabilisiert sich dann bei zwölf Prozent. Dies entspricht immerhin noch einer Verdopplung des Gender Pay Gaps im Alter zwischen 25 und 55 Jahren. Der Gender Pay Gap ist vornehmlich in wirtschaftsstarken westdeutschen Regionen mit hohen Männerlöhnen sehr ausgeprägt, während er in Regionen mit geringeren Männerlöhnen relativ klein ausfällt [6]. Der Gender Pay Gap ist in Westdeutschland seit Beginn der 1990er Jahre leicht gesunken, von etwa 25 auf zuletzt 20 Prozent, während er in Ostdeutschland seit Anfang der 2000er Jahre nahezu konstant bei etwa acht Prozent liegt [2].
Sachsen
Der unbereinigte Gender Pay Gap betrug im Freistaat Sachsen im Jahr 2021 zum Nachteil von Frauen* nach Angaben von DESTATIS immer noch sechs Prozent. Im Jahr 2020 erhielten vollzeitbeschäftigte sozialversicherte Frauen* in Sachsen demnach ein Tagesentgelt von 92,78 Euro und Männer* von 100,14 Euro. Zwischen den sächsischen Kreisen existieren dabei große Unterschiede. Den größten unbereinigten Gender Pay Gap hat der Landkreis Zwickau (11,8 Prozent), der geringste Wert findet sich im Landkreis Görlitz (0,9 Prozent) [7].
Frauen* mit Migrationsgeschichte
Neben dem anhaltenden Lohngefälle haben Frauen* mit Migrationsgeschichte im Vergleich zu Männern* mit Migrationsgeschichte und Personen ohne Migrationsgeschichte die niedrigste Beschäftigungsquote und das niedrigste durchschnittliche Nettoeinkommen. Sie sind auch häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen tätig und haben ein doppelt so hohes Armutsrisiko wie Frauen* ohne Migrationsgeschichte (27,1 Prozent im Vergleich zu 12,3 Prozent) [8].
Unbereinigter vs. bereinigter Gender Pay Gap
Unterschieden werden in diesem Zusammenhang oftmals der so genannte „bereinigte Gender Pay Gap“ und der „unbereinigte Gender Pay Gap“.
71 Prozent des Verdienstunterschieds zwischen Männern* und Frauen* sind strukturbedingt erklärbar. Hier wird auch der Teil des Verdienstunterschieds erfasst, der beispielsweise durch unterschiedliche Berufe oder Karrierestufen verursacht wird [1]. Der so genannte unbereinigte Gender Pay Gap ergibt sich demnach zu einem großen Teil durch strukturell bedingte Faktoren:
- Frauen* nehmen seltener als Männer* höhere Positionen ein
- Frauen* sind häufiger in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt als Männer*
- Frauen* sind vielfach in Wirtschaftszweigen mit niedrigeren Verdienstmöglichkeiten beschäftigt als Männer*
- Frauen* wechseln seltener den Arbeitsplatz
- Frauen* weisen weniger Berufsjahre aufgrund familienbedingter Unterbrechung auf
- Frauen* erleiden als Wiedereinsteigerinnen nach Schwangerschaft und Geburt oft Einkommenseinbußen
- Frauen* erhalten weniger Zulagen (z.B. für Schichtarbeit)
Die verbleibenden 29 Prozent des Verdienstunterschieds entsprechen dem bereinigten Gender Pay Gap. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen* im Durchschnitt auch unter der Voraussetzung vergleichbarer Tätigkeit und gleicher Qualifikation im Jahr 2018 pro Stunde 6 Prozent weniger als Männer [1].
Der „Gender Pay Gap“ wird auf der Grundlage von Haushaltserhebungen wie dem Sozio-Ökonomischen Panel errechnet. Unternehmens- und Vermögenseinkommen, Alterseinkommen oder staatliche Transfers bleiben bei der Berechnung des „Gender Pay Gap“ allerdings unberücksichtigt.
Erstmals wurde nun für Deutschland eine geschlechtsspezifische Analyse der Einkommensverteilung und der Steuerlastverteilung durchgeführt. Demnach schneiden Frauen* nicht nur beim Gehalt, sondern auch bei Rente, Arbeitslosengeld, Besteuerung oder Aktieneinkünften schlechter ab als Männer*. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) legt in der Veröffentlichung „Frauen erzielen im Durchschnitt nur halb so hohe Einkommen wie Männer“ dar, dass Frauen* im Durchschnitt sogar nur die Hälfte des Einkommens der Männer* erzielen. Die durchschnittlichen Einkommenssteuerbelastungen von Frauen* liegen zwar insgesamt unter denen der Männer*. In den unteren und mittleren Einkommensgruppen sind die Durchschnittsbelastungen der Ehefrauen aber mehr als doppelt so hoch wie die der Ehemänner mit gleichen Einkommen. Dieser Effekt entsteht durch das Ehegattensplitting [9].
Wie entstehen diese Lohnungerechtigkeiten?
Die Ursachen für den so genannten „Gender Pay Gap“ liegen oftmals darin begründet, dass Entgeltdiskriminierung nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, da es sich in vielen Fällen um mittelbare Diskriminierung handelt, die sich hinter Kriterien und Leistungsbewertungen verbirgt, die offiziell keinen direkten Bezug zum Geschlecht haben.
Männer* sind häufiger in Führungspositionen beschäftigt, verfügen häufig über mehr beruflichen Einfluss und erhalten höhere Gehälter. Durch diese beobachteten und erlebten Ungleichheiten wird das Geschlecht zu einem Merkmal, das Männern* oft einen höheren Status zuschreibt. Das äußert sich beispielsweise auch darin, dass Frauen* geringere Verdienstvorstellungen haben und typisch weibliche Tätigkeiten, beispielsweise in der Erziehung und Pflege, weniger wertgeschätzt werden. Damit sind Lohnunterschiede auch durch die kulturelle Abwertung von „Frauenarbeit“ bedingt, d.h. dass oftmals die Verantwortung über Maschinen oder Finanzen höher entlohnt wird als die Verantwortung für Menschen oder das Gelingen sozialer Prozesse.
Verschiedene Studien kommen außerdem zu dem Ergebnis, dass weibliche und männliche Befragte höhere Löhne für Männer* als gerecht empfinden. Das gilt selbst dann, wenn Männer* und Frauen* die gleichen Charakteristika, also zum Beispiel gleich viel Berufserfahrung und das gleiche Ausbildungsniveau, haben und die gleiche Tätigkeit ausüben. Der als gerecht empfundene Lohn liegt demnach für Männer* um rund drei Prozent höher als der als gerecht empfundene Lohn für Frauen*. Je älter die befragten Personen und die bewerteten fiktiven Personen sind, desto größer fällt der Gender Pay Gap in den als gerecht empfundenen Löhnen aus. Diese Ergebnisse stützen die Vermutung, dass erfahrene Ungleichheiten sich tatsächlich in stereotypen Einstellungen widerspiegeln: Menschen wird auf Grund des Geschlechts ein höherer Status zugeschrieben, was damit wiederrum zur Verfestigung des Gender Pay Gaps beiträgt [10].