Was ist Mutterschutz?
Der Mutterschutz soll Arbeitnehmerinnen* während der Schwangerschaft und der Stillzeit vor Kündigung und Gesundheitsrisiken schützen und gilt unabhängig von der Art des Arbeitsverhältnisses für alle schwangeren und stillenden Mütter*.
Wie hat sich der Mutterschutz über die Zeit entwickelt?
Den Mutterschutz gibt es in Deutschland seit beinahe 140 Jahren. In diesem Zeitraum wurden die Regelungen zum Mutterschutz in dem Umfang ausgeweitet und angepasst, in welchem Frauen* politischen und gesellschaftlichen Einfluss gewonnen haben.
1927 ratifizierte der Reichstag, trotz massiven Widerstandes der Industrie, die „Washingtoner Übereinkunft über die Beschäftigung von Frauen vor und nach ihrer Niederkunft“ und ging damit einen wichtigen Schritt zur gesetzlichen Verbesserung der Situation berufstätiger Frauen in Deutschland. „Für die damalige Zeit waren weitreichende Regelungen zum Mutterschutz vorgesehen: neben den damals bereits üblichen Beschäftigungsverboten und dem Wochengeld gehörten dazu etwa ein Kündigungsschutz und betrieblich garantierte Stillpausen [1]“.
„1941 legten die Nazis einen eigenen Entwurf für ein Mutterschutzgesetz vor. Es hatte den Erhalt der „Wehrkraft“ des Volkes zum Ziel. Das Gesetz brachte unter anderem eine Ausdehnung auf Landarbeiterinnen, eine längere Schutzfrist für stillende Mütter und die Anhebung des Wochengeldes auf das Niveau ihres vorherigen Lohnes. 1944 wurde außerdem ein Stillgeld eingeführt. Jüdinnen und Ausländerinnen, die nicht zur „Festigung des deutschen Volkstums“ beitrugen, genossen keinen oder nur minimalen Schutz [1].“
Im geteilten Deutschland wurde der Mutterschutz dann unterschiedlich geregelt.
„In der DDR trat bereits 1950 das „Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ in Kraft, in dem neben dem Mutterschutz auch der Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung und die Förderung der berufstätigen Frau festgeschrieben wurden. Frauen wurden fünf Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt ihres Kindes freigestellt und bekamen Leistungen in voller Höhe ihres Lohnes. Versicherte Frauen erhielten in der DDR zusätzlich 50 Mark für die Wäscheausstattung des Babys. Ab 1958 bekamen stillende Mütter zusätzlich sechs Monate lang ein Stillgeld von zehn D-Mark. Außerdem gab es verschiedene Beihilfen für kinderreiche Familien. Mitte der 1970er-Jahre wurden weitere Vergünstigungen für Mütter beschlossen, darunter die wichtigste: das bezahlte Babyjahr [1].“
In der BRD wurde nach intensiven Diskussionen 1952 das „Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter“ verabschiedet, welches bis heute die Grundlage für den gesetzlichen Mutterschutz bildet. „Von da an konnten Frauen sechs Wochen vor und nach der Niederkunft bei vollen Bezügen zu Hause bleiben. Sie durften während der Schwangerschaft keine schwere körperliche Arbeit verrichten, auch Nacht- und Akkordarbeit war verboten. Darüber hinaus galt ein Kündigungsschutz bis vier Monate nach der Geburt [1]“.
„Im Oktober 1992 wurde auf europäischer Ebene eine Richtlinie zum Mutterschutz verabschiedet, die statt der strikten und pauschalen Beschäftigungsverbote, wie sie in Deutschland galten, Risikobewertungen des konkreten Arbeitsplatzes vorsahen [1]“. Um das Gesetz den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen wurde es in Deutschland schließlich 2018 novelliert. „Aktuell gilt: Die Schutzfrist für werdende Mütter gilt sechs Wochen vor der Niederkunft, es sei denn, die Frau will ausdrücklich weiter arbeiten. Im Normalfall gilt acht Wochen, bei Früh- und Mehrlingsgeburten 12 Wochen nach der Geburt ein absolutes Beschäftigungsverbot – beides bei vollem Lohnausgleich [1]“. Zudem gilt der Mutterschutz nun auch für Studentinnen, Schülerinnen und Praktikantinnen. Durch die Novellierung entspricht das Gesetz viel stärker als früher dem zeitgemäßen Leitbild einer gleichberechtigen Erwerbsbeteiligung von Frauen*. Es zielt stärker als zuvor (gleichermaßen) auf den Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind wie auch auf die berufliche Teilhabe der Frauen* ab. Die Gestaltungspflichten der Arbeitgeber*innen haben deutlich an Stellenwert gewonnen, weil sie nun unmittelbar im Gesetzestext verankert sind: Arbeitgeber*innen müssen den Arbeitsplatz schwangerer oder stillender Frauen* so einrichten, dass sich Schwangerschaft, Stillwunsch und Berufstätigkeit nicht von vornherein ausschließen [2].
Wie sieht das in der Realität aus?
Schwangere und stillende Arbeitnehmerinnen werden in der Arbeitswelt auch heute noch als Abweichung von der Norm wahrgenommen. Dabei wird aufgrund der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen* Schwangerschaft in Zukunft noch viel häufiger ein Teil der Arbeitswelt sein. Bei der konkreten Umsetzung der mutterschutzrechtlichen Vorgaben auf betrieblicher Ebene tun sich laut einer Studie des DGB jedoch erhebliche Lücken auf. Die Befragung zeigt vielfältige Probleme, die sich vielen erwerbstätigen Frauen* ab der Schwangerschaft im Betrieb oder in der Dienststelle in den Weg stellen: Schwangere und stillende Frauen* können ihre gesetzlichen Rechte viel zu häufig noch nicht automatisch und selbstverständlich in Anspruch nehmen, ohne im Betrieb auf Überraschung, Ignoranz oder betriebliche Gegenerwartungen zu stoßen. Zentrale Probleme betreffen die Verpflichtung der Arbeitgeber*innen eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, Belastungen auf Grund langer Arbeitszeiten oder Defizite bei Schutzmaßnahmen. Viele schwangere und stillende Frauen* erfahren zudem Nachteile in ihren Erwerbsbiografien, obwohl das neue Mutterschutzgesetz Schwangeren und stillenden Arbeitnehmerinnen deutlich mehr Schutz bieten sollte als es in der vor 2018 geltenden Fassung der Fall war [2].