Wie steht es um das Thema Vereinbarkeit?
Für viele Menschen ist es heutzutage schwierig, die Betreuung und Pflege von Kindern und Angehörigen mit dem eigenen Beruf zu vereinbaren. Das hat verschiedene Gründe.
Zahlen des DGB-Index Gute Arbeit 2017 zeigen: 41 Prozent der Beschäftigten sind oft so erschöpft, dass sie nicht dazu kommen, „sich um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern“. Dies sagen 47 Prozent der befragten Frauen* und 37 Prozent der befragten Männer*. Berufliche und private Interessen unter einen Hut zu bringen, scheitert oft an zeitlichen Hürden und macht besonders Frauen* zu schaffen [1].
Die alltägliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nach wie vor durch traditionelle Männlich- und Weiblichkeitsbilder geprägt, obwohl die Aufgabenverteilung in der Idealvorstellung der meisten Eltern gleichberechtigt erfolgen soll. Entscheidungen zur Aufgabenteilung werden von dem Wunsch nach Zeit für die Familie, Wertvorstellungen, dem Einkommen und den Arbeits- und Betreuungsbedingungen beeinflusst [2].
Der Alltag von Paaren entspricht jedoch nur zum kleinen Teil den Idealvorstellungen, d.h. Wunsch und Wirklichkeit klaffen hier weiterhin noch häufig auseinander. 60 Prozent der Eltern mit Kindern unter drei Jahren fänden es eigentlich ideal, wenn sich beide Partner gleichermaßen in Beruf und Familie einbringen könnten. Doch verwirklicht wird ein solches partnerschaftliches Modell bislang nur in jeder sechsten Familie. Bei mehr als einem Viertel ist der Mann* immer noch Alleinverdiener, aber nur bei drei Prozent ist es die Frau*. Am meisten Zuwachs hat das Modell „Mann Vollzeit, Frau Teilzeit“, wobei die Teilzeit der Frau* heute mehr Stunden umfasst als früher. Allerdings ist es für eine Mehrheit der Mütter* heute selbstverständlich, auch mit kleinen Kindern zu arbeiten. 2018 galt dies für 61 Prozent der Mütter* von Zwei- bis Dreijährigen, 2006 waren es noch 42 Prozent [3].
26,7 Stunden betrug außerdem die durchschnittliche Wochenarbeitszeit erwerbstätiger Mütter 2018. Das sind zwei Stunden mehr als noch 2006, wobei Frauen* im Osten im Schnitt 33 Stunden arbeiteten, im Westen nur 25 Stunden. Trotzdem sind viele Frauen* weiterhin finanziell von ihrem Partner abhängig. Nur 65 Prozent der erwerbstätigen Mütter* gelingt die Existenzsicherung, im Vergleich zu 96 Prozent bei den Vätern*. Die Familienpolitik hat sich daher zum Ziel gesetzt, den Anteil erwerbstätiger Mütter mit existenzsicherndem Einkommen bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern. Setzt man den Mindeststundenlohn von 8,84 Euro (2018) voraus, sind dafür 23,5 Wochenstunden notwendig [3].
Damit Mütter* früher wieder arbeiten gehen können, geben Eltern ihre Kinder zunehmend früher in die Kita. Die Betreuungsquote der unter Dreijährigen steigt seit Jahren. Sie hat sich mit mehr als 35 Prozent gegenüber 2006 mehr als verdoppelt. Die Kinderbetreuung zu Hause bleibt trotzdem noch vorwiegend an den Frauen* hängen: Werktags liegt sie bei 6,3 Stunden für Frauen* und 2 Stunden für Männer. Am Wochenende liegt sie sogar bei 8,9 Stunden für Frauen* und 5,3 Stunden für Männer*. Und je mehr Kinder eine Familie hat, desto größer fällt der Unterschied zwischen Müttern* und Vätern* aus [3].
Darüber hinaus nehmen Frauen* (den Großteil der) Elternzeit. Langsam, aber konstant steigt auch die Väterbeteiligung am Elterngeld. Während nahezu alle Mütter* Elterngeld beziehen, waren es bei den Vätern* der im Jahr 2017 geborenen Kinder 40 Prozent. Im Vergleich zu 2008 hat sich ihre Beteiligung damit verdoppelt. Im Schnitt beziehen Väter* das Elterngeld allerdings nur 3,7 Monate, bei den Müttern* sind es 14,3 Monate [3].
In der Lebensphase zwischen 40 und 60 Jahren übernehmen meistens die Frauen* die Pflege Angehöriger [2].
Welche politischen Maßnahmen gibt es, um die Vereinbarkeit zu erleichtern?
Mit dem Elterngeld bzw. ElterngeldPlus sowie dem Ausbau der Kinderbetreuung gab es in Deutschland bereits einige Fortschritte hinsichtlich der gleichmäßigen Aufteilung der Erwerbs- und Familienarbeit zwischen beiden Elternteilen. Damit das Ziel der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Eltern verwirklicht wird, braucht es allerdings noch weitere Maßnahmen von Politik und Wirtschaft.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gibt in dem Bericht „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“ folgende Empfehlungen [4]:
- Mehr Anreize schaffen, sodass Väter länger in Elternzeit gehen
- Kinderbetreuung für Kleinkinder ausbauen und Betreuungsmöglichkeiten für Grundschulkinder schaffen
- Förderinstrumente entwickeln, z.B. Familienarbeitszeit
- Einen Anspruch darauf schaffen, die Arbeitszeit nach Verringerung aus familiären Gründen wieder hochzusetzen
- Vereinbarkeitsfördernde Personalmaßnahmen in Unternehmen weiterentwickeln
Auch Unternehmen haben einen relevanten Einfluss darauf, inwiefern es Eltern möglich ist, familiäre Aufgaben partnerschaftlich aufzuteilen. Sie können Mütter und Väter unterstützen, indem sie diverse Arbeitszeitmodelle und berufliche Entwicklungsperspektiven anbieten oder für einen gelingenden Wiedereinstieg sorgen.
Gleichstellungsbeauftragte können ebenfalls einen Beitrag für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie leisten. Dazu gehört neben der Beratung von Eltern und Alleinerziehenden auch die Mitwirkung bei Konzepten der Kinderbetreuung und das Einbringen von Maßnahmen in der Stadtplanung, die besondere Auswirkungen auf Frauen* und Männer* mit Kindern haben, wie zum Beispiel sichere Verkehrsführung oder leicht zu erreichende Spielplätze.
Eltern mit kleinen Kindern und Leute, die ihre Familienangehörigen pflegen und deswegen im Job benachteiligt werden, können sich ab sofort außerdem von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beraten lassen. Das sieht das so genannte „Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz“ vor, das 2023 in Kraft getreten ist. Aus einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2022 geht hervor, dass Diskriminierungen von Eltern und pflegenden Angehörigen am Arbeitsplatz weit verbreitet sind. 41 Prozent der Eltern gaben an, wegen der Kinderbetreuung Diskriminierung erlebt zu haben. Bei Menschen, die Angehörige pflegen, waren es 27 Prozent.