Wie beeinflusst Werbung das Geschlechterverhältnis?

Werbung ist heutzutage überall im öffentlichen und privaten Raum präsent, ob auf Plakaten, in Zeitschriften, in Funk und Fernsehen oder in Onlineanzeigen im Internet. Täglich sind wir dabei einer Flut von Werbereizen ausgesetzt, die wir mehr oder weniger bewusst wahrnehmen.

Als problematisch muss in diesem Zusammenhang angesehen werden, dass nach neueren Ansichten der Kommunikations- und Medientheorie Werbung in nicht unerheblichem Maße einen Beitrag zur Wirklichkeitskonstruktion leistet. D.h. man muss davon ausgehen, dass eine Wechselbeziehung zwischen gesellschaftlicher Wirklichkeit und Werbung besteht dahingehend, dass Werbung nicht nur Spiegel der Gesellschaft ist, sondern selbst Gesellschaft mitgestaltet. D.h. Werbung führt vor, was eine Gesellschaft für typisch ‚weiblich‘ oder auch typisch ‚männlich‘ hält, welche Rollen den Geschlechtern zugewiesen werden, welche Erwartungen an sie herangetragen werden und auch welches Verhalten bei Frauen* oder Männern* akzeptiert bzw. abgelehnt wird. Werbung trägt so in besonderem Maße zur sozialen Konstruktion der Geschlechterrollen bei und zwar indem sie selbst Erscheinungsbilder von Frauen* und Männern* präsentiert und konkrete stereotype Vorstellungen davon vermittelt, wie Frauen* und Männer* sein sollen.

Generell dürfen gemäß den Grundsätzen des Werberates in kommerziellen Werbungen weder Bilder noch Texte die Menschenwürde und das allgemeine Anstandsgefühl durch Präsentationen pornografischen Charakters verletzen [1]. Um Produkte besonders attraktiv zu machen, nutzt Werbung trotzdem oft unrealistische und vermeintlich idealtypische Bilder von Menschen und kann so u.a. Sexismus oder Rassismus transportieren.

Wie werden Frauen* und Männer* in der Werbung dargestellt?

Die Darstellung von Frauen* und Männern* wird in Werbeanzeigen oftmals immer noch verbunden mit hochstilisierten Körperbildern und unrealistischen Schönheitsidealen. Die Werbung bedient sich bei der Darstellung von Männern* dabei einer Körpersprache, die geprägt ist von einem legeren, breitbeinigen Stand, dem Blick direkt in die Kamera und raumfüllenden Gesten. Bilder wie diese vermitteln ‚Männlichkeit‘ mit den ihr zugeschriebenen Eigenschaften von Rationalität, Selbstbewusstsein und Dominanz. In der Darstellung von Frauen* in der Werbung dominiert hingegen eine unsichere Körpersprache. Beispiele sind übereinandergeschlagene Beine, eine schiefe Kopfhaltung oder Selbstberührungen mit abgewinkelten Armen. Frauen* wirken dadurch emotionaler, weniger selbstsicher und untergeben. Die oft von der Werbung gezeichnete ‚Weiblichkeit‘ weist oft deutliche Züge von Schwäche, Abhängigkeit, Emotionalität oder Unsicherheit auf.

Darüber hinaus werden sowohl Frauen* als auch Männer* in stereotypen Rollen dargestellt, also Frauen* eher als hilfsbedürftig, mütterlich, fürsorglich, bescheiden etc. und Männer* als zupackend, aggressiv, aktiv und dominant. Frauen* treten in der medialen Darstellung stärker als Männer* hinter dem Dienst am Menschen zurück. Bei den Männern* wird eher deren Kraft und Stärke betont und ihre Individualität und Autonomie in den Vordergrund gestellt. Frauen* hingegen erscheinen hilfloser und austauschbarer. Sie werden eher als untergeordnet dargestellt.

Frauen* und Männer* werden dabei so präsentiert, dass eine umgekehrte Darstellung (in der die Frau* die Rolle des Mannes* übernimmt und umgekehrt) unweigerlich zu Irritationen, Belustigung oder Missfallen führen würde und daher nicht vorstellbar ist.

Hat sich die Darstellung von Frauen* und Männern* in der Werbung in den letzten Jahren verändert?

Mittlerweile kann von einer verstärkten Pluralisierung der Geschlechterrollen in der Werbung ausgegangen werden, wobei Bilder von Männern* und Frauen* in unterschiedlichen, auch nicht-traditionellen Rollen vermittelt werden. Eine grundsätzliche Kritik an der Reproduktion von Geschlechterstereotypen durch die Werbung ist also nicht mehr in jedem Fall angebracht. Würde sich die Werbung weiterhin auf rein traditionelle Geschlechterstereotype stützen, würde sie auch keine Aufmerksamkeit mehr erwecken. Diese Tendenzen der Pluralisierung von Geschlechterrollen bedeuten jedoch nicht, dass traditionelle Geschlechterrollen in der Werbung ausgedient hätten [2].

Vor allem die Sexualisierung von Frauen* in der Werbung wird von Feminist*innen kritisiert. Damit gemeint ist die Verwendung erotischer Bilder von Frauen* und deren „Sexappeal” als Hingucker, um auf ein bestimmtes Produkt aufmerksam zu machen. Werbung unterstellt an dieser Stelle, dass für Frauen* ihr Aussehen das Wichtigste sei. Es zeichnet ein von Makellosigkeit gekennzeichnetes Ideal der weiblichen Schönheit.

Die Geschlechterforschung interessiert sich dabei zunehmend für die Auswirkungen dieser Art von Werbung insbesondere auf junge Frauen*. Das betont schlanke Körperideal wird in diesem Zusammenhang eng gekoppelt gesehen an das verstärkte Aufkommen von Magersucht und Essproblemen bei jungen Frauen* in westlichen Ländern. Insbesondere die sozialpsychologische Forschung kritisiert den Boom dieser Körperideale in den Medien sowie deren Folgen für das Selbstwertgefühl junger Frauen* [2].

Viele inhaltsanalytische Forschungsbefunde weisen in diesem Zusammenhang eine Vielzahl subtiler Methoden der Diskriminierung von Frauen* aus. Sexuelle Anzüglichkeiten und eine rigide Schönheitsnorm stellen dabei wesentliche Eckpfeiler werblicher Frauendarstellungen dar. Oft findet sich in der Werbung ein Zwang zur Schönheit, der einhergeht mit körperlichem Wohlbefinden und Fitness bzw. Schlankheit, das äußere Erscheinungsbild bestimmt hier den sozialen Wert einer Frau* mit. Viele Produkte werden immer noch vor dem Hintergrund von halbnackten, leicht bekleideten Frauen* beworben [1].

Für Männer* lassen sich diese Befunde so nicht feststellen: Mimik, Gestik und Haltung wirken bei ihnen eher natürlich emotional. Allerdings unterliegen auch Männer* einem Schönheitsideal: sie haben in der Werbung ebenfalls sehr häufig durchtrainierte, schlanke, junge Körper. Allerdings wird ihnen auch öfter die Möglichkeit zugestanden, als ältere Männer* eine seriös-glaubwürdige Fachkraft zu verkörpern. Frauen* werden nur in seltenen Fällen als Führungskraft oder Expertin darstellt.

Generell kann festgestellt werden, dass Männer* in der Werbung ein breiteres Rollenrepertoire zugestanden wird. Über einen Zeitraum von über 50 Jahren wird der Mann* am häufigsten als Karrieremann oder geselliger Typ in der Werbung präsentiert, die Frau* als schmückendes Beiwerk, die ein Produkt emotional aufladen und die Ware sozusagen ‚veredeln‘ soll [1].