Geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten

Nach wie vor definiert sich die Stellung einer Person innerhalb des gesellschaftlichen Systems in Deutschland sehr stark über ihren Beruf. Zwar können Frauen* heute den Beruf der Mechatronikerin und Männer* den des Erziehers erlernen, trotzdem kann beim Blick auf die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt noch immer von einer Geschlechtersegregation gesprochen werden.

Das bedeutet: Es gibt rund 300 Ausbildungsberufe und über 18.000 Studiengänge, dennoch wählen junge Frauen* und Männer* meist aus einem engen Spektrum geschlechtstypischer Berufe aus. Noch immer werden die Bereiche Dienstleistung, Erziehung, Pflege, Reinigung und einfache Bürotätigkeiten überwiegend von Frauen*, technische, handwerkliche und verarbeitende Berufe hauptsächlich von Männern* ausgeübt. Im kaufmännischen Bereich bestehen zwar zwischen den einzelnen Berufen ebenfalls deutliche geschlechtsspezifische Differenzen, sie sind jedoch insgesamt weniger stark ausgeprägt.

Frauen sind nicht nur in geringerem Maße in der dualen Berufsausbildung vertreten, sie konzentrieren sich auch auf weniger Ausbildungsberufe. Im Jahr 2017 fanden sich 74,2 Prozent aller Ausbildungsanfängerinnen* in nur 25 Berufen wieder, wohingegen sich nur bei 61,5 Prozent aller Männer* auf die 25 am häufigsten von männlichen Jugendlichen gewählten Berufe verteilten.

Die fünf beliebtesten Ausbildungsberufe bei Mädchen* waren 2017

  • Kauffrau für Büromanagement
  • Medizinische Fachangestellte
  • Zahnmedizinische Fachangestellte
  • Kauffrau im Einzelhandel
  • Verkäuferin

Die fünf beliebtesten Ausbildungsberufe bei Jungen* waren 2017

  • Kraftfahrzeugmechatroniker
  • Elektroniker
  • Fachinformatiker
  • Kaufmann im Einzelhandel
  • Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik

Diese Geschlechtersegregation im Bereich der Berufsausbildung wird bereits seit den 1970er Jahren im Berufsbildungsbericht der Bundesregierung und seit 2009 im Datenreport zum Berufsbildungsbericht dokumentiert. Festgestellt werden kann, dass sich seit über 40 Jahren in der geschlechtsspezifischen Berufswahl von Frauen* und Männern* wenig verändert hat.

Ursachen für das geschlechtsspezifische Berufswahlverhalten

Die Ursachen für dieses spezifische Berufswahlverhalten sind dabei nicht auf vermeintlich natürliche oder biologische Veranlagungen von Männern* und Frauen* zurückzuführen, sondern auf kulturelle und sozial konstruierte Normen und Traditionen. So zeigt ein Blick in die Geschichte und andere Gesellschaftsformen und Kulturen, dass Fähigkeiten und Talente nicht an Geschlechterzugehörigkeit gebunden sind. Die Berufsorientierung junger Menschen wird maßgeblich von Geschlechtsinszenierungen beeinflusst: Die in unterschiedlichen Medien vermittelten Charakteristika der jeweiligen Ausbildungsberufe – bzw. die dort transportierten Berufsprofile und Anforderungen – sind oft geschlechtsspezifisch geprägt und beeinflussen Jungen* und Mädchen* in ihren Berufswahlentscheidungen einseitg. Dadurch bleiben geschlechtsuntypische Talente oft unberücksichtigt.

Unterschiedliche Entlohung der Ausbildungsberufe

Problematisch an dieser spezifischen Berufswahl ist, dass frauendominierte Berufe oftmals weniger Prestige als männerdominierte Berufe genießen und in der Folge auch geringer entlohnt werden. Der Ausbildungsreport der DGB-Jugend zeigt regelmäßig auf, dass junge Frauen* trotz höherer schulischer Qualifikationen und Bildungsabschlüssen als Jungen* häufiger in Berufen mit niedrigeren Ausbildungsvergütungen und schlechteren Ausbildungsbedingungen ausgebildet werden als junge Männer*. Auszubildende in weiblich dominierten Ausbildungsberufen erhalten im dritten Ausbildungsjahr im Monat durchschnittlich mehr als 108 Euro weniger als Auszubildende in den männlich dominierten Ausbildungsberufen.

Informationen für Mädchen* und Jungen*

Viele Informationen zum Thema MINT – vor allem für junge Frauen* – sowie eine Veranstaltungsübersicht findet sich unter Komm mach MINT. MINT ist eine zusammenfassende Bezeichnung der Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In diesen Berufen sind Frauen* deutlich unterrepräsentiert, weshalb verschiedene Initiativen versuchen, mehr Frauen* für diese Berufsfelder zu interessieren.

Die Seite Klischee-frei des Bundesinstituts für Berufsbildung will alle am Berufswahlprozess Beteiligten unterstützen, die Mädchen* und Jungen* frei von Geschlechterklischees bei der Berufswahl begleiten wollen. Auf der Seite werden Best-Practice-Beispiele vorgestellt, sowie Arbeitsmaterialien und Faktenblätter zur Verfügung gestellt.

Die Websites des Girls‘ Day und des Boys‘ Day bieten ein bundesweites Netzwerk und Fachportal zur Berufswahl und Lebensplanung von Mädchen* und Jungen*. Sie stellen ein Angebot bereit zu Themen wie Berufsorientierung, Rollenvorstellungen und Vermittlung von Sozialkompetenzen.