Was heißt eigentlich Familie?

Mit dem Begriff „Familie“ werden in Deutschland immer noch hauptsächlich Vorstellungen von einer heterosexuellen Beziehung verbunden, in der Vater und Mutter verheiratet sind und Kinder haben. Noch 1996 bildeten Ehepaare mit Kindern tatsächlich die am weitesten verbreitete Lebensform erwachsener Personen.

Familien- und Lebensformen haben sich seitdem jedoch sehr gewandelt, d.h. Lebensformen ohne den institutionellen Charakter der Ehe haben stark an Bedeutung gewonnen. Zwar wachsen die meisten Kinder immer noch bei verheirateten Eltern auf. Es gibt aber auch alleinerziehende Eltern; Patchwork-Familien, in denen Eltern eine neue Beziehung eingehen und Kinder aus ihren früheren Ehen und Partnerschaften mitbringen; es gibt Paare, die kinderlos sind oder Paare, welche Kinder haben, aber nicht verheiratet sind; es gibt homosexuelle Partnerschaften mit oder ohne Kinder und seit Oktober 2017 auch die Möglichkeit der Eheschließung für Paare des gleichen Geschlechts. Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern werden – in Anlehnung an die Regenbogenfahne der Lesben*- und Schwulen*-Bewegung – „Regenbogenfamilien“ genannt.

Betrachtet man heute die erwachsene Bevölkerung nach ihrer Lebensform, so wohnen 29 Prozent von ihnen als Ehepaar ohne Kind im eigenen Haushalt zusammen, die zweitgrößte Gruppe stellen die Alleinstehenden mit 26 Prozent dar und erst an dritter Stelle kommen mit 24 Prozent die Ehepaare mit Kindern im Haushalt [1].

Problematisch bleibt in diesem Zusammenhang, dass auf Grund normativer gesellschaftlicher und politischer Vorstellungen trotzdem immer noch eher traditionelle Familienkonstellationen strukturell unterstützt werden, z.B. durch die steuerliche Entlastung in einer Ehegemeinschaft („Ehegattensplitting“).

Wie leben heute Menschen in Familie zusammen?

Das bürgerliche Familienideal war lange Zeit die Vorstellung von Vater, Mutter, Kind als ein verheiratetes heterosexuelles Elternpaar, das mit seinem biologischen Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebt, wobei der Vater hauptsächlich für das Einkommen und die Mutter vor allem für Kind und Haushalt sorgt [2]. Diese Vorstellung prägt auch heute noch viele Menschen.

Das Familienleitbild in Deutschland hat sich in den letzten Jahren jedoch stark gewandelt. Laut einer Umfrage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bevorzugen nur noch 28 Prozent der Eltern mit Kindern unter 18 Jahren ein Familienmodell, in dem der Vater voll arbeitet und die Mutter in Teilzeit. Vor 12 Jahren waren dies noch 43 Prozent der Bundesbürger*innen. 84 Prozent der Befragten meinen außerdem, ein Vater solle so viel Zeit wie möglich mit den Kindern verbringen. Dass beide Elternteile Vollzeit arbeiten, streben dagegen heute fast ein Viertel der Befragten an; 2007 waren es nur 15 Prozent. Fast ebenso beliebt ist das Modell, dass beide Eltern in Teilzeit arbeiten [3]. Verwirklicht wird ein solches partnerschaftliches Modell bislang nur in jeder sechsten Familie. Bei mehr als einem Viertel ist der Mann* immer noch Alleinverdiener, aber nur bei drei Prozent ist es die Frau*. Am meisten Zuwachs hat das Modell „Mann Vollzeit, Frau Teilzeit“, wobei die Teilzeit der Frau* heute mehr Stunden umfasst als früher [2].

Darüber hinaus ist es so, dass nicht alle Menschen in Deutschland Kinder bekommen. Die Anzahl der Kinder pro Frau* in Deutschland betrug 2019 1,54 im Alter zwischen 15 und 49 Jahren. Auffällig dabei ist, dass die Kinderlosigkeit im EU-Vergleich besonders hoch ist. Die Anzahl der kinderlosen Frauen* (der Jahrgänge 1966-1970) betrug in Ostdeutschland 16,1 Prozent, in Westdeutschland sogar 23,6 Prozent. Heute wollen knapp zwei Drittel der jungen kinderlosen Menschen sicher Kinder haben. Damit nimmt der Kinderwunsch wieder zu. Werden Frauen* dann tatsächlich schwanger, sind sie heute bei der ersten Geburt 30 Jahre alt, rund fünfeinhalb Jahre älter als vor fünfzig Jahren. Männer sind gut 34 Jahre alt [2].

Vor der Geburt eines Kindes heiraten die meisten Paare: Es gibt jedoch auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Während in den alten Bundesländern Heirat und Familiengründung für zwei Drittel der Paare zusammengehören, gilt das in den neuen Bundesländern nur für die Hälfte der Paare [2].

Auch die Zahl der gleichgeschlechtlichen Eltern nimmt stetig zu. 2018 wuchsen laut Statistik bereits 15 000 Kinder in 10 000 Regenbogenfamilien auf (die Hälfte der Familien hatte ein Kind, die andere Hälfte zwei Kinder). Vermutlich ist die Zahl jedoch noch höher, denn statistisch gesehen werden Regenbogenfamilien als Haushalte definiert, in denen gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern leben. Für lesbische, schwule, bisexuelle, trans-, intergeschlechtliche oder queere Menschen (LSBTIQ*) sind Regenbogenfamilien jedoch Familien, in denen mindestens ein Elternteil sich zu einer dieser Gruppen zählt. In Statistiken lässt sich das allerdings nur schwer erfassen [2].

Jede dritte Familie mit minderjährigen Kindern hat zudem heute einen Migrationshintergrund, in Westdeutschland ist es fast jede zweite, in Ostdeutschland jede fünfte [2].

Gibt es auch Daten zu einer kritischen Haltung gegenüber Familie?

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. hat 2014 die Studie „Familienleitbilder in Deutschland“ über die Wirkung von Leitbildern auf Familiengründung und -entwicklung herausgegeben. Ein Fokus wurde dabei auch auf die kulturellen Erwartungen unserer Gesellschaft an Familien gelegt. Sehr aufschlussreich ist die Erkenntnis, dass die niedrigen Geburtenraten in unserem Land auch im Zusammenhang mit hohen Erwartungen an eine Elternschaft und dem Mythos der „Mutterliebe“ zusammenhängen, der viele Paare davor zurückschrecken lässt eine eigene Familie zu gründen [4].

Darüber hinaus gibt es auch Menschen, die ihre Elternschaft bedauern. Laut einer Studie der „Zeit“, die sie zusammen mit Infas und dem Wissenschaftszentrum Berlin durchführte, gehören Menschen mit akademischer Ausbildung zu der Gruppe, die ihre Elternschaft am stärksten bedauern. Kinderlose Frauen* dagegen, die noch keine Kinder bekommen haben, hadern oft mit dieser Situation. Laut Studie empfehlen Frauen* nachfolgenden Generationen, die sich zwischen Kind und Arbeit entscheiden müssen, „lieber zu arbeiten“ [5].

Auch im Zuge der aktuellen Klimadebatten kommt immer wieder die Frage auf, inwiefern es nötig wäre auf Kinder zu verzichten in Anbetracht der hohen zu erwartenden CO2-Bilanz der nachwachsenden Generationen. Diskutiert wird, wie Elternsein und Klimaschutz zusammengehen können. Knapp 60 Tonnen CO2 pro Jahr „kostet“ jedes Kind, das eine Person zusätzlich (in den USA) bekommt. Das ist fast sechsmal mehr als der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland [6].