Was bedeutet Feminismus?

Mit dem Begriff „Feminismus“ sind unterschiedliche Ansätze, Theorien und Praxen verknüpft. Diesen vielschichtigen Auffassungen gemeinsam ist das Ziel Freiheit zu verwirklichen, also der Emanzipation (von Unterdrückung und Diskriminierung) aller Menschen, die sich als Frauen* definieren, oder von anderen als Frauen* definiert werden. Es geht um eine Analyse, Kritik und grundlegende Veränderung des gesellschaftlichen Normen- und Wertesystems sowie die Abschaffung struktureller Gewalt und einseitiger, patriarchaler Machtstrukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Verwirklichung einer gleichen Teilhabe von Frauen* am gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Leben.

Genauso wenig wie von „der Frau“ an sich gesprochen werden kann, kann also auch von „dem Feminismus“ als homogenem, also einheitlichem, Phänomen gesprochen werden. So summieren sich im historischen Verlauf – aber auch gegenwärtig – unterschiedliche Schwerpunkte und Ansätze unter dem Oberbegriff des Feminismus oder der Frauenbewegung.

Wie ist der historische Hintergrund?

Frauenbewegung und Feminismus haben ihren Ursprung in den Reformbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Im Zuge der Französischen Revolution in Westeuropa und der Anti-Sklaverei-Bewegung in Großbritannien und den USA wurden die ersten Erklärungen der Rechte von Frauen* analog zu Menschenrechts- und Anti-Sklaverei-Aufrufen verfasst. Auch die Forderung nach dem Frauenwahlrecht und der gleichberechtigten Ehe- und freien Liebesbeziehungen waren grundlegende Themen von Beginn an.

In Deutschland breiteten sich, davon angeregt, die emanzipatorischen Forderungen zur Gleichstellung der Frau* Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst (nur) innerhalb literarischer Zirkel der Romantiker*innen aus, ohne organisierte Frauenvereinigungen im Deutschen Bund. Erst in der Folge des demokratischen Aufbruchs der Märzrevolution 1848 und mit der beginnenden Arbeiterbildungsbewegung begann die übergreifende und kontinuierliche Organisation der deutschen Frauen(bildungs)bewegung.

1865 wurde in Leipzig der „Allgemeine deutsche Frauenverein“ gegründet. Innerhalb des Deutschen Kaiserreiches schlossen sich die inzwischen insgesamt 2500 Frauenvereine 1894 zum „Bund deutscher Frauenvereine“ zusammen. Es gab, wie in anderen Staaten auch, zu dieser Zeit neben erbitterten Gegnern auch einige Männer*, Politiker, die sich für die Frauenemanzipation öffentlich einsetzten. Zu dieser Zeit war es Frauen* genauso wie Minderjährigen verboten, in politischen Organisationen Mitglied zu sein bzw. diese zu gründen. Wie die Arbeiterbewegung zur Zeit der Sozialistengesetze wichen sie auf „Bildungsvereine“ und andere Themen zur Organisation aus. Besonders die Ausbildung von Lehrerinnen spielte eine wichtige Rolle. Die eindeutig politische Forderung nach dem Frauenwahlrecht war vor diesem Kontext sehr radikal und erst im ersten Weltkrieg einigten sich die verschiedenen Strömungen auf dieses Ziel.

Seitdem ist die Entwicklung jedoch keineswegs linear verlaufen und es existierten immer viele parallel laufende, teilweise unvereinbare Ansätze (wie z.B. aktuell die Debatte über das Tragen von Kopftüchern). Um die Entwicklung feministischer Strömungen, Konfliktlinien und Bewegungen jedoch sichtbar und greifbar zu machen, wird vereinfachend oftmals von drei Wellen des Feminismus bzw. der Frauenbewegung gesprochen.

Erste Welle der Frauenbewegung

Diese als erste Welle der Frauenbewegung, oder als „Gleichheitsfeminismus“ bezeichnete, ab 1900 weltweit hegemoniale Strömung, setzte sich für die grundsätzlichen politischen und bürgerlichen Rechte der Frauen* ein, wie z. B. das Frauenwahlrecht oder das Recht auf Erwerbstätigkeit und Bildung.

Dabei muss unterschieden werden zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Frauenbewegung. Während die bürgerliche Frauenbewegung den traditionellen Weiblichkeitsbegriff übernahm und die Arbeits- und Rollenverteilung in der Ehe nicht grundsätzlich in Frage stellte, forderte die proletarische Frauenbewegung eine grundsätzliche Veränderung der damaligen ökonomischen und sozialen Herrschaftsverhältnisse. So stand für letztere die Forderung nach ökonomischer und politischer Gleichstellung der Frau mit dem Mann im Vordergrund, während die bürgerliche Frauenbewegung anstrebte, dass Frauen* die Möglichkeit erhalten sollten, sich in ihrem „natürlichen“ Wesen, vorwiegend durch Ehe und Mutterschaft definiert, selbst verwirklichen zu können.

Viele Frauenorganisationen zögerten lange, ein Frauenwahlrecht und eine aktive Rolle von Frauen* im Staat/ in der Öffentlichkeit zu fordern. Dieses Thema spaltete die bürgerliche Frauenbewegung in einen traditionellen und einen radikalen Teil. Die „Suffragetten“ (von Suffrage – Wahlrecht) im angloamerikanischen Raum vereinten beides: Konservative Werte wie Patriotismus sowie Radikalität in der politischen Auseinandersetzung und Einforderung politischer Rechte.

Zweite Welle der Frauenbewegung

Die Zeit ab den 1960er Jahren wird als zweite Welle der Frauenbewegung (Differenzfeminismus) bezeichnet und wurde inspiriert durch die Student*innen-Bewegung der Neuen Linken. Im Unterschied zur ersten Frauenbewegung, bei der die Unterstützung und Zusammenarbeit mit Männern* selbstverständlich gewollt und willkommen war, ist diese Epoche geprägt von autonomen, Männer* ausschließenden Organisationsformen. Dies ergab sich auch aus den Themen: Sexualisierte Gewalt und die Unterdrückung weiblicher und insbesondere lesbischer Sexualität spielten eine wichtige Rolle.

Innerhalb dieser neuen Frauenbewegung lassen sich zwei Hauptströmungen ausmachen. Zum einen Frauengruppen, die – anknüpfend an den Gleichheitsfeminismus der ersten Welle – insbesondere in der Tradition der proletarischen Frauenbewegung die Revolution des kapitalistischen Gesellschaftssystems anstrebten, zur Durchsetzung der ökonomischen und sozialen Gleichstellung von Frau und Mann. Und zum anderen die radikal-feministische, autonome Frauenbewegung, die sich vorrangig die Abschaffung der heteronormativen (d.h. Heterosexualität als soziale Norm) und patriarchal geprägten Sexualnormen auf die Fahnen geschrieben hatte. Diese orientierte sich weniger an der politischen, bildungsmäßigen und beruflichen Angleichung an den Mann, sondern forderte den psychologischen Befreiungsprozess aus der Fixierung auf den Mann durch die gesellschaftliche und sexuelle Selbstbestimmung der Frau.

Im geteilten Deutschland unterschieden sich die Voraussetzungen und Bedingungen für Frauen* in Ost- und Westdeutschland einerseits in der sozialen und ökonomischen Abhängigkeit von Männern. Hier war in der DDR mehr Freiheit vorhanden durch die allgemeine Berufstätigkeit, was aber auch zu großer Doppelbelastung (die „zweite Schicht“) und mehr Scheidungen/Alleinerziehenden führte.

Die Möglichkeiten der kulturellen und politischen Emanzipation, die Möglichkeit sich feministisch zu organisieren, sich frei zu bilden oder Medien und Wissenschaft zu beeinflussen war dagegen in Westdeutschland freier und in der DDR sehr eingeschränkt. Gleichzeitig wirkte in Westdeutschland die gesellschaftliche Macht der Kirchen eher der Emanzipation von Frauen* entgegen, wogegen Kirchen ist Ostdeutschland, den – wenigen – oppositionell aktiven Frauen* Räume und Freiheiten eröffnete.

Diese Unterschiede wirken sich bis heute auf die Sprache, Vernetzung und die Forderungen von „Ostfeministinnen“ und „Westfeministinnen“ aus und führt zum Beispiel dazu, dass Themen wie Abtreibungsverbote oder die Antibabypille anders regional verhandelt werden.

Dritte Welle der Frauenbewegung

In den 1990er Jahren entwickelte sich in den USA eine dritte Welle der Frauenbewegung. Diese entstand aus der Kritik an einseitigen Entwicklungen des radikalen Feminismus der zweiten Welle, die von der Perspektive heterosexueller, weißer Mittelstands-Hausfrauen dominiert wurde und Männer ausschloss.

Zum einen organisierten sich Schwarze Frauen* und forderten die weißen Schwestern heraus. Andererseits kamen auch Einflüsse aus der sich zur Gender- und dann Queer Theory weiter entwickelnden feministischen Wissenschaft: Über die Forderung nach der noch immer nicht verwirklichten Gleichberechtigung von Frau* und Mann* hinaus wurden normative Identitätskonzepte wie „Geschlecht“ oder „Sexualität“ generell in Frage gestellt. Geschlecht wird nun sowohl verhaltenssoziologisch als auch biologisch als gesellschaftliches Konstrukt begriffen und der Kampf für die Anerkennung einer Vielfalt unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten jenseits der Dualität von Frau* und Mann*, wie von Trans*- und Inter*-Personen, spielt eine zentrale Rolle.

Das Selbstverständnis und die unterschiedlichen Ziele der feministischen Bewegung(en) sind seitdem nicht nur von ihrem historischen, sondern auch von ihrem kulturellen und sozialen Kontext abhängig. So stehen für Schwarze Frauen* andere Aspekte im Mittelpunkt als für weiße Frauen*, für homosexuelle Frauen* sind andere Themen präsent als für heterosexuelle, Frauen* mit Behinderung erfahren andere Barrieren als Frauen*, welche als gesund bezeichnet werden, Frauen* mit Kindern haben andere Bedürfnisse als kinderlose Frauen*, erwerbstätige Frauen* andere als erwerbslose Frauen* usw. Zunehmend geraten so auch Mehrfachdiskriminierungen, denen Frauen ausgesetzt sind, sogenannte intersektionale Verschränkungen, ins Blickfeld.

Diese Geschichte des Feminismus und der Frauenbewegung enthält nur einen winzigen Ausschnitt der Vielfältigkeit des Feminismus und der Frauenbewegungen. Mit der Globalisierung im Laufe des 20. Jahrhunderts sind die unterschiedlichsten Formen, Theorien und Träger*innen aktiv, die Diskriminierung von Frauen* und anderen von der Hetero-männlichen Norm abweichende Menschen kritisieren und bekämpfen, sich solidarisierenden und autonome Wege organisieren – in allen Regionen, Schichten und Kulturen weltweit. Sowohl vernetzt als auch ganz eigenständig, es gibt noch unendlich viel zu entdecken.