Welche Rolle spielen Medien heute in Bezug auf das Geschlechterverhältnis?

Medien sind in der heutigen Gesellschaft eine nicht mehr weg zu denkende Instanz. Das, worüber in den Medien berichtet wird, findet große Beachtung. Umgekehrt finden Dinge, über die in den Medien nicht berichtet wird, kaum Berücksichtigung. Die je spezifische Darstellung dieser Dinge prägt sich durch die Omnipräsenz der Medien stark bei Menschen ein. Medien nutzen dabei vor allem die in jeder Gesellschaft existierenden Leitbilder und Ideale. Diese Bilder üben einen prägenden Einfluss auf das Selbst- und Fremdbild der Einzelnen aus und tragen so dazu bei das Bild der Gesellschaft zu formen. Insofern ist das Bild, das Medien von Frauen* und Männern* zeichnen, einerseits eine Darstellung der realen gesellschaftlichen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern, andererseits formt eben dieses Bild die Geschlechterbeziehung in der Gesellschaft auch weiter. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieses fiktionale Bild mitunter hinter dem gesellschaftlich akzeptierten, praktizierten Rollenverständnis hinterherhinkt [1].

Medien sind dabei auch selbst ein System, das auf der Basis geschlechtsspezifischer Unterscheidung funktioniert. Nur die gesellschaftlich dominante Gruppe, d.h. heutzutage immer noch weiße, heterosexuelle Männer, hat das Privileg ihre mediale Darstellung selbst bestimmen zu können. Darüber hinaus produziert diese Gruppe aber auch das mediale Bild anderer (subdominanter) Gruppen, also z.B. von Frauen*, homosexuellen Menschen, People of Colour oder Menschen mit Behinderung, welches diese oft marginalisiert, „vorführt“ oder als das vom Normalen Abweichende darstellt [2]. Der Aspekt, dass die Entscheidungspositionen über die zu veröffentlichenden Bilder meistens von Männern besetzt sind, zeigt, dass das Bild der Geschlechterbeziehungen und vor allem das Bild einer Frau* folglich oft das Bild des Mannes über eben diese ist [1]. Demnach ist die mediale Präsentation von Mann* und Frau* immer noch eine eher traditionelle, die die eindeutige Überlegenheit des Mannes demonstrieren soll. Männer werden meist aktiv, zupackend und auch aggressiv dargestellt. Die Darstellung von Frauen* zeichnet sich eher dadurch aus, dass sie zurückhaltend, untergeordnet, freundlich und hilflos sind [2].

Bei der medialen Repräsentation von Frauen* prallen in letzter Zeit jedoch vermehrt traditionelle und progressive Attribute aufeinander. So stehen traditionellere Zeichen für Weiblichkeit wie langes Haar, Makeup, Jugendlichkeit, eine adrette, gepflegte Erscheinung und Schönheit auch neueren Merkmalen für den weiblichen Erfolg gegenüber [3]. Es finden sich also auch aktive, dominante, kompetente Frauen* in Status hohen Funktionen und zurückhaltende, passive Männer* in untergeordneten Positionen [2]. Die Ausnahmen, die den gängigen stereotypen Darstellungen nicht entsprechen, beschränken sich jedoch auf einige wenige.

Wie sind Frauen* und Männer* in Film und Fernsehen präsent?

Frauen* sind einer Studie der Universität San Diego zufolge in US-Filmen deutlich unterrepräsentiert. Nur rund 15 Prozent der Hauptdarsteller*innen in den 100 erfolgreichsten US-Kinofilmen aus 2013 waren weiblich. Insgesamt waren nur rund ein Drittel aller Sprechrollen mit Frauen* besetzt. Nur in rund 13 Prozent der untersuchten Filme gab es gleich viele männliche und weibliche Hauptdarsteller*innen, oder mehr weibliche. Bei weiblichen Charakteren ist es zudem unwahrscheinlicher als bei männlichen, dass sie identifizierbare Ziele haben, oder auf irgendeine Art und Weise als Anführerinnen dargestellt sind. Für die Erhebung wurden im „Institut für das Studium von Frauen in Film und Fernsehen“ rund 2300 Rollen in den 100 erfolgreichsten US-Filmen in 2013 ausgewertet [4].

2014 stellte die Schauspielerin Geena Davis außerdem eine Studie vor, welche die University of Southern California mit UN-Unterstützung erstellt hat. Für die Studie wurden 120 Filme aus den USA, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Deutschland, Indien, Japan, Russland, Südkorea und Großbritannien untersucht. Dabei wurde ebenfalls herausgestellt, dass die Filmindustrie Diskriminierung befördert: Nur 22,5 Prozent der Film-Frauen* haben überhaupt einen Job (real sind es ca. vierzig Prozent). Führungspositionen in Filmen werden fast komplett mit Männern besetzt, nur 13,9 Prozent der Verantwortlichen und 9,5 Prozent der bedeutenden Politiker*innen in Filmen sind Frauen*. Durchschnittlich sind weniger als ein Drittel der Sprechrollen weiblich. Es gibt kaum Frauen in Action- und Abenteuerfilmen. Immer noch tragend ist auch die Sexualisierung weiblicher Rollen: Mädchen* und Frauen* werden mehr als doppelt so oft wie Jungen* und Männer* aufreizend, halbnackt oder nackt gezeigt [5].

Auch in Deutschland sind Frauen* nach der Studie „Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland“ der Universität Rostock, die von der MaLisa-Stiftung, ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSat.1 unterstützt wurde, im deutschen Fernsehen und in heimischen Kinoproduktionen deutlich unterrepräsentiert. Sie werden dabei meistens im Zusammenhang mit Beziehung und Partnerschaft gezeigt. Statistisch kommt in Kino- und in TV-Filmen aus Deutschland auf zwei männliche Protagonisten eine Frau* in einer Hauptrolle vor. Nur in Soaps und Telenovelas gebe es eine halbwegs gleichmäßige Geschlechterverteilung.

Auch in Informationssendungen sind Frauen* unterrepräsentiert. So überwiegen Männer* als Sprecher (72 Prozent) und in Expertenrunden (79 Prozent). Auch die Moderation von Quiz- oder Reality Shows ist mit 80 Prozent eine Männerdomäne. Aktuelle deutsche Ergebnisse des weltweiten Global Media Monitoring Project (GMMP), die 2015 vom Journalistinnenbund (JB) erhoben wurden, zeigen ebenfalls, dass Frauen* mit 28 Prozent in den Nachrichten aller Mediengattungen stark unterrepräsentiert sind.  In Deutschland hat sich zwar in den klassischen Medien der Frauenanteil in den Nachrichten von 21 Prozent im Jahr 2010 auf aktuell 33 und im Onlinebereich auf 24 Prozent erhöht. Aber damit liegt die Präsenz von Frauen* in den Nachrichten weiterhin deutlich hinter einer paritätischen Beteiligung.

Im Kinderfernsehen ist das Bild laut der Studie der Studie der MaLisa-Stiftung nicht viel anders: Monster oder Tiere sind meist männlich, nur eine von vier Figuren kann einer weiblichen Rolle zugeordnet werden. Schwerer haben es auch ältere Frauen* in Fernsehen und Kino. Ab einem Alter von 30 Jahren kommen sie in Film und Fernsehen immer seltener vor.

Für die Studie nahmen die Wissenschaftlerinnen vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock fast 3000 Programme von 17 Sendern, das Angebot von vier Kindersendern sowie knapp 1.000 Kinofilme unter die Lupe [6].

In der neuen Studie „Sichtbarkeit und Vielfalt: Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität – Gender & Kino“ der MaLisa-Stiftung wurden 390 Filme untersucht, die mit mehrheitlich deutschem Geld produziert wurden und in den Jahren 2017 bis 2020 liefen. Der Frauenanteil auf den Leinwänden ist seither gestiegen, es herrscht fast Parität. Allerdings sind diese Frauen fast alle jung, schlank und werden immer noch im Kontext von Partnerschaft und Beziehung dargestellt. Dabei spielen auf verstärkt visuelle Aspekte eine Rolle: Nur neun Prozent der männlichen Protagonisten wurden als „sehr dünn“ eingestuft, aber ein Viertel der Schauspielerinnen. Darüber hinaus ist der Anteil von Frauenfiguren, die über dreißig sind, rückläufig. Bei den Figuren, die über fünfzig Jahre alt sind, haben die Männer sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Den Bechdel-Test bestehen insgesamt nur 58 Prozent der untersuchten Filme. Führen Frauen* Regie oder schreiben sie die Drehbücher, dann bestehen 90 Prozent der Filme den Bechdel-Test, aber es führen immer noch nur bei einem Viertel der Kinofilme Frauen Regie [7].

Wie steht es um die Situation der Filmschaffenden unter Geschlechteraspekten?

Deutschland

Die Studien „Gender und Film“ sowie „Gender und Fernsehen“, die die Filmförderungsanstalt (FFA) gemeinsam mit den öffentlichen-rechtlichen Fernsehsendern ARD und ZDF realisiert hat, zeigen, dass in den meisten kreativen Schlüsselpositionen der Filmproduktionen mehr Männer* als Frauen* arbeiten: 72 Prozent der Kinofilme werden von Regisseuren*, 23 Prozent von Regisseurinnen* und 5 Prozent von gemischten Teams inszeniert. Drehbücher werden zu 60 Prozent von Autoren*, 23 Prozent von Autorinnen* und 16 Prozent von gemischten Teams verfasst. Im Bereich der Produktion werden 58 Prozent der Filme von Männern*, 14 Prozent von Frauen* und 28 Prozent von gemischten Teams hergestellt. Nur im Bereich Kostüm, der zu 86 Prozent von Frauen* verantwortet wird, sind Männer* unterrepräsentiert.

Der Frauenanteil an Filmhochschulen beträgt durchschnittlich 40 Prozent. Doch nur 23 Prozent der Absolventinnen* im Bereich Regie und Drehbuch sind später aktiv in der Kinobranche tätig [8]. Regisseure machen ihre Filme für durchschnittlich 2,8 Millionen Euro, Regisseurinnen für 1,9 Millionen [7]. Auch die vom Deutschen Kulturrat durchgeführte Studie „Frauen in Kultur und Medien“, die 2016 erschienen ist, bestätigt eine eklatante Schieflage bei Beschäftigung und Bezahlung von Frauen* im Kulturbetrieb. Von 100 Regieabsolvent*innen sind 44 weiblich*, die 56 männlichen* drehen jedoch 85% der Filme.

Branchenkulturelle Herausforderungen und Barrieren existieren für Frauen* und Männer*, sie wirken sich jedoch stärker auf Frauen* aus. Hierzu zählen insbesondere: die Vermeidung von Risiken – u.a. der Rückgriff auf bewährte Netzwerke –, die fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Sättigung des Marktes sowie prekäre Arbeitsbedingungen, wie beispielsweise eine unsichere Auftragslage. Sowohl Männer* als auch Frauen* sehen sich außerdem in der Filmbranche mit Stereotypisierungen konfrontiert. Während Männer* jedoch eher mit erfolgsrelevanten Attributen in Verbindung gebracht werden, assoziiert man Frauen* vorwiegend mit Eigenschaften, die sie als ungeeignet für Führungspositionen deklarieren [9].

Seither wurden an mehreren Runden Tischen Maßnahmen für mehr Gleichberechtigung erarbeitet, wie bspw. die geschlechtergerechte Besetzung von Gremien und Jurys zur Vergabe von Preisen und Auszeichnungen. Außerdem hat die Initiative Pro Quote Regie erreicht, dass in der Medien- und Koalitionsvereinbarung Berlin Brandenburg eine Zielvorgabe für die Auftragsvergabe an Regisseurinnen von 50% festgeschrieben wurde. Pro Quote Regie hat darüber hinaus einen Gleichstellungsparagraphen im Filmförderungsgesetzes (FFG) erwirkt [8].

USA

Bei der Verleihung der Oscars muss konstatiert werden, dass in der 92-jährigen Geschichte der Academy Awards insgesamt lediglich fünf Regisseurinnen nominiert wurden. Nur eine von ihnen hat 2010 einen Oscar als beste Regisseurin gewonnen, Kathryn Bigelow für „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“. Auch im Bereich Regie werden von zehn Regiejobs von US-Filmen lediglich 1,3 von Frauen* übernommen. Wirft man einen Blick auf weitere Kategorien, die die Arbeit hinter der Kamera auszeichnen, bestätigt sich der Eindruck, dass die Filmindustrie wird immer noch von weißen Männern* dominiert wird. Ein ähnliches Missverhältnis ergibt sich, wenn man die Nominierung von nicht-weißen Schauspieler*innen und Filmschaffenden betrachtet [10].

Wie wird geschlechtsspezifische Gewalt im Fernsehen dargestellt?

Eine wichtige, bisher jedoch unterbeleuchtete Rolle kommt der Frage zu, wie Medien geschlechterbasierte Gewalt aufgreifen und darstellen.

Vor diesem Hintergrund haben die MaLisa Stiftung und die UFA GmbH die Studie „Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen. Eine Medieninhaltsanalyse“ initiiert und gefördert. Sie liefert erstmals einen Überblick über die Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt im deutschen TV. Analysiert wurde eine repräsentative Stichprobe der Programme von acht TV-Sendern (Das Erste, ZDF, RTL, RTL2, Vox, ProSieben, SAT.1 und Kabel Eins), die 2020 zwischen 18 und 22 Uhr ausgestrahlt wurden.

Zentrale Ergebnisse waren

  • Geschlechtsspezifische Gewalt kommt in rund einem Drittel (34 %) der Sendungen vor. Häufig handelt es sich dabei um explizite und schwere Gewalt gegen Frauen und Kinder.
  • Sie wird in unterschiedlichen Programmsparten und Genres dargestellt, am häufigsten jedoch in fiktionalen Programmen (66 %). Innerhalb dieser kommt sie meist in Krimi-Serien (26 %) und Spielfilmen (13 %) vor.
  • Die Betroffenen von geschlechtsspezifischer Gewalt kommen nur in 8 Prozent der Darstellungen ausführlich selbst zu Wort.
  • Bei der Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt im deutschen TV fehlen häufig Vorabwarnungen über den Inhalt, Hinweise auf Hilfsangebote für Betroffene, die Beschreibung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie eine stärkere Einbeziehung der Betroffenen-Perspektive

Eine Feinanalyse zeigt in der TV-Information ein Spektrum zwischen Orientierung an journalistischen Qualitätskriterien und Sensationalisierung geschlechtsspezifischer Gewalt. In Dokumentationen (am Beispiel von True Crime) ist eine Sexualisierung und Stereotypisierungen im Kontext geschlechtsspezifischer Gewalt sichtbar. Hypersexualisierte Gewalt ist insbesondere im Action-/Agentenfilm präsent. In Daily-Soap/Scripted-Reality und Doku-Soap/Reality-Soap waren missbräuchliche Inszenierungen und Instrumentalisierung sexualisierter Gewalt mehrfach präsent. Dies ist besonders bedenklich, da es die bereits in der Gesellschaft bestehenden verzerrten Vorstellungen über die Häufigkeit von Falschanschuldigungen verstärken könnte. Sexuelle Orientierung und Homophobie ist als Kontext für geschlechtsspezifische Gewalt ebenfalls sichtbar [11].