Was bedeuten Wohnungs- und Obdachlosigkeit?

Wohnungslosigkeit beschreibt die Lebenslage von Menschen ohne festen Wohnsitz oder privaten Wohnraum. Obdachlosigkeit bedeutet hingegen, dass Menschen über keinen festen Wohnsitz verfügen und im öffentlichen Raum, im Freien oder in Notunterkünften übernachten. Nicht obdachlos sind zum Beispiel Wohnungslose, die vorübergehend in Heimen, Frauenhäusern oder bei Verwandten wohnen.

Derzeit gibt es in Deutschland keine Wohnungslosenstatistik, weshalb nur Schätzungen möglich sind. Trotzdem ermittelt die BAG Wohnungslosenhilfe, dass seit Jahren die Zahlen der obdachlosen und wohnungslosen Menschen wieder ansteigt: 2016 waren ca. 860.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung, seit 2014 ist dies ein Anstieg um ca. 150 %. 2013 waren 205.000 Männer* und 74.000 Frauen* wohnungslos (ohne anerkannte Flüchtlinge), 2016 waren es schon 287.000 Männer* und 103.000 Frauen*. Auch Kinder sind von Wohnungslosigkeit betroffen [1]. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beziffert die Anzahl obdach- und wohnungsloser Menschen für 2022 auf ca. 260.000 Menschen [9].

Die Zahl der Menschen, die ohne jede Unterkunft als Obdachlose auf der Straße leben, stieg seit 2014 um 33 Prozent auf ca. 52.000 in 2016. Schuld sind steigende Mietpreise bei gleichzeitig weniger verfügbaren Sozialwohnungen und der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Viele dieser Menschen haben theoretisch ein Anrecht auf eine Sozialwohnung, doch die sind gerade in den großen Städten knapp.

Wie sind Frauen* von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen?

Obdachlosigkeit betrifft zu 19 Prozent Frauen*, d.h. Männer* sind alllgemein häufiger von Wohnungslosigkeit betroffen. Viele Frauen* sind hingegen auch von so genannter verdeckter Wohnungslosigkeit betroffen. Ihr Anteil unter den verdeckt Wohnungslosen beträgt dabei 40 Prozent. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch um ein Vielfaches höher [9].

Ursachen der Wohnungslosigkeit bei Frauen* sind meist strukturelle weibliche Armutsrisiken oder Gewalterfahrungen aus der vorigen Wohnsituation [2]. Wohnungslose Männer* und Frauen* tragen dabei unterschiedliche Risiken, so dass Frauen* sich möglicherweise intensiver um einen Schlafplatz bei Bekannten oder Verwandten bemühen, dafür eher Abhängigkeiten oder Konflikte akzeptieren, um ggf. dort auch länger geduldet zu werden [9].

Viele Frauen* haben Gewalt oder Missbrauch erlebt, manche haben psychische Probleme. Andere haben nach der Geburt ihres Kindes keine Arbeit und somit keine Aussicht auf eine Wohnung. Diese Frauen* versuchen sich oft unsichtbar zu machen, um von der Gesellschaft nicht ausgegrenzt zu werden. Häufig leben sie in provisorischen Wohnverhältnissen, kommen beispielsweise bei Freund*innen unter oder gehen Zwangspartnerschaften ein, um nicht aufzufallen. In diesen Abhängigkeiten werden sie, zum Teil sexuell, ausgebeutet und sind oft einem hohen Maß an Gewalt ausgesetzt [1]. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu obdach- und wohnungslosen Männern: Über die Hälte der von Obdachlosigkeit betroffenen Frauen* hat sexualisierte Gewalt, Übergriffe oder Vergewaltigung erlebt [8].

Diese Frauen gelten offiziell als wohnungslos, d.h. sie finden auf dem normalen Wohnungsmarkt keine Bleibe und müssen in Notquartieren, Wohnheimen oder Mutter-Kind-Heimen unterkommen. Gerade in den großen Städten hat die Zahl in den vergangenen Jahren zugenommen. Die hohe Quote verdeckt wohnungsloser Frauen* weist auf einen Mangel an geeigneten Einrichtungen hin, welche speziell auf die Bedürfnisse wohnungsloser Frauen* oder auch queerer Menschen ausgerichtet sind. Mittlerweile sind außerdem über 20 Prozent der Menschen in Unterkünften Familien [3].

Wird bei der Wohnungssuche auch diskriminiert?

Diskriminierendes Handeln auf dem Wohnungsmarkt wird auf unterschiedlichen Ebenen wirksam:

  • auf Grund individueller ökonomischer Vorstellungen der Vermieter*innen,
  • auf der Basis von individuellen Vorurteilen und Stereotypen sowie
  • auf der Ebene institutionalisierter Benachteiligungen [4].

Die Diskriminierung von Menschen beim Zugang zu und der Versorgung mit Wohnraum wegen ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, wegen des Familienstandes oder dem Umstand Kinder zu haben, ist jedoch verboten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Betroffene vor solchen Benachteiligungen, sowohl bei der Wohnungssuche als auch in bestehenden Mietverhältnissen. Der Diskriminierungsschutz erstreckt sich über die Anmietung, das Mietverhältnis selbst sowie über die Kündigung [5].

Es ist nicht jedes Diskriminierungsmerkmal gleich stark geschützt. Den höchsten Schutz im Bereich Wohnen und Mieten hat das Merkmal der ethnischen Herkunft. Mehr als jede*r dritte Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund hat in diesem Zusammenhang einer aktuellen Studie zufolge Diskriminierungserfahrungen. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Ein Fünftel aus dieser Gruppe gab an, eine Immobilienanzeige gelesen zu haben, die bestimmte Personengruppen ausschloss. Acht Prozent erlebten Diskriminierung aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit oder ihrer Weltanschauung. Mehr als jede*r Zehnte wurde demnach bei der Wohnungssuche beleidigt oder beschimpft [6]. Rassistische Diskriminierung bei der Wohnungssuche ist dabei ein strukturelles Problem. Die Umfrage zeigt, dass Betroffene häufig ihre Rechte nicht kennen und sich in den seltensten Fällen an Beratungsstellen wenden. Nötig seien Konzepte für eine diskriminierungssensible Wohnungsvergabe, die individuelle Vorurteilsstrukturen von Mitarbeitenden aber auch institutionelle Regelungen und Vergabekriterien ebenso beinhalten wie ein effizientes Monitoring und Beschwerdemanagement [7].

Momentan erzeugt der Druck im Bereich Wohnungsmarkt zunehmend Konkurrenz zwischen verschiedenen von Diskriminierung bedrohten Gruppen und erweitert damit das traditionelle Spektrum von Diskriminierungsfällen.