Was bedeutet Sexarbeit?

Der Begriff Sexarbeit bezeichnet eine einvernehmliche sexuelle oder sexualisierte Dienstleistung zwischen volljährigen Geschäftspartner*innen gegen Entgelt oder andere materielle Güter. Die Bezeichnung wurde 1978 von der feministischen Aktivistin Carol Leigh geprägt, um die negative Wahrnehmung, die zum Beispiel mit dem Wort Prostitution verbunden ist, abzubauen, den Dienstleistungscharakter der Beschäftigung hervorzuheben und die Anerkennung von Sexarbeit als Lohnarbeit zu unterstützen [1].

Sexarbeit als Tausch sexueller Dienstleistungen gegen finanzielle oder materielle Vergütung umfasst vielfältige Praktiken und Dienstleistungen: z.B. Darstellung in Pornofilmen/-magazinen, Striptease, Lapdance/erotischer Tanz, Tantra-Massagen, die Arbeit als Dom*inas, Escorts, Straßen- und Bordell-Sexarbeit, Telefonsex, Onlinesex und vieles mehr [1].

Sexarbeit ist in hohem Maß moralisch aufgeladen und gesellschaftlich umstritten. So werden im öffentlichen Diskurs oftmals viele Themen miteinander vermischt, darunter Sexualmoral, Geschlechterverhältnisse, Wohlstandsgefälle, Arbeitsausbeutung und Migrationsfragen [2]. Damit verbunden sind ganz unterschiedliche Vorstellungen, die von Sexarbeit als Ausdruck struktureller Gewalt und Ausbeutung von Frauen* reichen bis hin zur Kritik an der Stig­matisierung von Sexarbeit als Gewalt und der Kampf für die Selbstbestimmung und Anerkennung der Rechte der Sexarbeiter*innen [3]. Gerade in feministischen Kreisen werden Haltungen zum Thema Sexarbeit sehr kontrovers diskutiert. Zentrale Fragestellungen bzw. Themen sind dabei:

  • Moralische Bewertungen und die Verstrickung von Sexarbeit in patriarchale Strukturen und geschlechterstereotype Wissensbestände („Hurenstigma“)
  • Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit; insbesondere als eine Form von Carearbeit
  • Staatliche Regulierung und Kriminalisierung von Sexarbeit, in Deutschland insbesondere durch die Einführung des neuen ProstSchG (Prostituiertenschutzgesetz) 2017 und dessen Auswirkungen auf Sexarbeiter*innen oder auch aktuelle Arbeitsverbote im Zuge der Beschränkungen durch die Coronapandemie
  • Diskussionen um (sexuelle) Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Solidarität angesichts der großen Diversität unter Sexarbeiter*innen und der Bedingungen unter denen Sexarbeit stattfindet

Moralische Bewertungen und geschlechterstereotype Wissensbestände

Der Arbeitsalltag von Sexarbeiter*innen ist häufig durch Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse geprägt. Zum einen auf Grund der Stigmatisierung, Abwertung, Moralisierung und Kriminalisierung ihrer Arbeit. Zum anderen ist Sexarbeit jedoch auch – wie andere Formen von Erwerbsarbeit – Teil einer kapitalistischen, sexistischen, rassistischen und heteronormativen Gesellschaft und somit auch patriarchaler Verhältnisse [3].

Sexarbeit ist tief verankert in gesellschaftlichen Vorstellungen von Geschlechterrollen und heteronormativen Geschlechterbeziehungen. So werden Sexarbeiter*innen im Alltagsverständnis nahezu durchgehend als weiblich beschrieben, ihre Kund*innen und Zuhälter*innen hingegen als männlich. Doch auch in der Sexarbeit stellen sich Geschlechterverhältnisse und -beziehungen oftmals komplexer und vielseitiger dar als in ihrer medialen und gesellschaftlichen Verhandlung.

Alle Frauen* in der Sexbranche auf Grund herr­schender Machtverhältnisse per se als Opfer zu sehen, führe zur Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen – oftmals verknüpft mit einer rassistischen Einordnung, die letzten Endes unterscheidet zwischen der weißen, westlichen, emanzipier­ten und selbstbestimmten Sexarbeiterin* und der Migrantin*, die unter Zwang Sexarbeit ausübt und häufig mit Betroffenen von Menschenhandel in eins gesetzt wird. Hier hilft eine intersektionale Perspektive weiter, die zum einen die individuellen Umstände und Voraussetzungen, unter denen Sexarbeit stattfindet, berücksichtigt und gleichzeitig strukturelle Probleme, wie z.B. spezifische Verletzbarkeiten, denen gerade migrantische Sexarbeiter*innen ausgesetzt sein können [3].

Die moralisierte Debatte sorge vor allem dafür, dass konkrete Probleme nicht benannt und angegangen wurden, wie z.B. Sexarbeit analog zu anderen Sorgetätigkeiten (Carearbeit) wie Erziehung oder Pflege als geleistete Arbeit sichtbar zu machen, sie aufzuwerten und damit einer angemessenen Entlohnung zuzuführen. So werde Sexarbeit durch moralische Bewer­tungen immer noch der Status einer vollwertigen Arbeit und damit auch die bisher errungenen Arbeitnehmer*innenrechte vorenthalten [4].

Staatliche Regulierung und Kriminalisierung von Sexarbeit

Sexarbeit unterliegt nicht dem allgemeinen Arbeits- und Gewerberecht, sondern vorrangig dem Verantwortungsbereich von Ordnungsbehörden, Polizei und Sozialarbeit und somit straf- und ordnungsrechtlicher Re­gulierungen. So wird beispielsweise die Ausländergesetzgebung von der Polizei dazu genutzt, in der Sexarbeit tätige Migrant*innen häufiger zu kontrollieren [5].

Das „Gesetz zur Regulierung des Prosti­tutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen – Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG)“ schränkt das Selbstbestim­mungsrecht von Sexarbeiter*innen massiv ein durch scharfe Kontrollmechanismen, wie einer Meldepflicht für Sexarbeiter*innen, eine berufsspezifische Lizensie­rungspflicht für alle Betriebe, gesetzliche Pflichtberatungen, Sperrbezirksverordnungen und vieles mehr. Zudem erschwere es auch den Schutz derjenigen Sexarbeiter*innen, die besonders gefährdet sind Opfer von Gewalt, Ausbeutung oder Diskriminierung zu werden, weil ihnen der Zugang zu legaler Sexarbeit erschwert oder ganz verhindert wird. Außerdem verstoße das Gesetz in vielerlei Hinsicht, z.B. durch den mangelnden Schutz intimer Daten, gegen die Grundrechte von Sexarbeiter*innen. Menschenhandel, Arbeits­ausbeutung und Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung dagegen könnten, wie in anderen Branchen auch, auf Grundlage der allgemein gültigen Gesetze verfolgt werden [6].

In der Sexarbeit arbeiten viele vulnerable Gruppen, die besonders schutzbedürftig sind: Migrant*innen, alleinerziehende Mütter, Rom*nja, queere- und trans Personen, People of Color, von Armut betroffene oder verschuldete Personen, suchtkranke Menschen und wohnungs- oder obdachlose Personen. Diesen Menschen ist es bisher gelungen, durch Sexarbeit für sich selbst zu sorgen. Gerade sie waren von einem Arbeitsverbot im Zusammenhang mit den Coronaschutzverordnungen extrem betroffen. Sie fallen oft durch die Maschen des staatlichen Hilfesystems, können sich einen Arbeitsausfall nicht leisten und müssen illegal weiterarbeiten [7].