Was ist Rassismus?
Rassismus oder rassistisches Handeln bedeutet Menschen zu kategorisieren aufgrund der Annahme, dass sie vermeintlich eine andere kulturelle Herkunft oder Nationalität als die eigene haben. Festgemacht wird diese Annahme meist an Aussehen oder Sprache.
Rassismus ist die Summe aller Verhaltensweisen, Gesetze, Bestimmungen und Anschauungen, die den Prozess einer Hierarchisierung (also einer Besser- und Schlechterstellung von Menschen) und Ausgrenzung unterstützen. Das heißt, rassistisches Handeln passiert auf unterschiedlichen Ebenen. So denken viele zuerst an rassistische Beleidigungen auf einer individuellen Ebene. Rassistische Strukturen sind jedoch auf einer institutionellen und strukturellen Ebene fest in Gesellschaft, Kultur, Politik und Medien verankert. Formen von Rassismus basieren stets auf ungleichen Machtverhältnissen. Zum Beispiel wenn Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe der Zutritt zu Clubs verwehrt wird oder aber eine mehrheitlich weiße Polizei und Justiz Verdächtige anders behandeln, wenn sie nicht weiß sind.
Die Begriffe weiß und Schwarz sind in diesem Zusammenhang nicht als Hautfarben zu verstehen, sondern als politische Kategorien, die darauf verweisen, welche Menschen in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft mit Rassismus konfrontiert sind und welche nicht.
Allein die Verwendung des Begriffs „Rasse“ im Deutschen ist im Gegensatz zum englischen „race“ bereits rassistisch, da der Begriff die aus dem Kolonialismus stammende falsche Annahme voraussetzt, es gebe unterschiedliche „Menschenrassen“ und damit einhergehend auch „höherwertige“ und „minderwertige“. Daher wird im Deutschen oftmals der englische Begriff „race“ verwendet.
Da es sich bei „Schwarz“ um eine positive und bestärkende Selbstbezeichnung von Menschen, die von Rassismus betroffen sind, handelt, verwenden wir hierfür die Großschreibung. Im Gegensatz dazu schreiben wir die politische Kategorie „weiß“ kursiv und klein, um deutlich zu machen, dass es sich hierbei nicht um eine empowernde Selbstbezeichnung handelt, sondern um eine konstruierte Kategorie, die sichtbar machen soll, wer in unserer Gesellschaft in einem rassistischen Kontext privilegiert ist.
Dies soll das Muster durchbrechen, dass innerhalb von Machtverhältnissen in der Regel diejenigen markiert (sprachlich hervorgehoben) werden, die nicht privilegiert sind, während die Privilegierten innerhalb dieses Gefüges sprachlich nicht markiert sind, sprich als Norm gelten. Zum Beispiel gelten Attribute wie männlich, weiß, nicht-behindert, heterosexuell, cis-geschlechtlich oftmals als selbstverständlich und somit auch nicht als benennenswert für die Norm „Mensch“, während Attribute wie weiblich, Schwarz oder of Coulor, mit Behinderung, homosexuell stets auch sprachlich als Abweichung von der Norm benannt werden.
Um diesen Unterschied durch die Schreibweise deutlich zu machen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten und Handhabungen. Vgl. hierzu bspw. https://www.amnesty.de/2017/3/1/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprache.
Wie werden Menschen rassistisch diskriminiert?
Rassistische Vorstellungen führen in vielen Fällen dazu, dass Menschen auf Grund eines vermeintlich „fremden“ Aussehens benachteiligt, ausgeschlossen oder diskriminiert werden. Doch auch bereits die Frage „Woher kommen Sie?“ oder die Aussage „Sie sprechen aber gut Deutsch“ kann rassistisch sein, wenn sie z.B. einer Person in Deutschland gestellt wird, die in Deutschland geboren ist und seit ihrer Geburt deutsch sprich, nur weil sie nicht als weiß gelesen wird. Der Begriff „gelesen“ meint hier, dass es sich bei Kategorisierungen des Äußeren immer nur um Wahrnehmungen und Zuschreibungen handelt.
So ist es unerheblich, ob etwas rassistisch gemeint war oder nicht. Viele Menschen glauben, dass es sich nur dann um Rassismus handelt, wenn z.B. eine Bemerkung oder ein Verhalten bewusst verletzend oder diskriminierend gemeint war. So sind viele von Rassismus betroffene Menschen häufig mit der Aussage: „Es war doch nicht so gemeint“ konfrontiert. Nur weil etwas nicht rassistisch gemeint war, kann es sehr wohl rassistisch sein. Die Entscheidung darüber, ob etwas rassistisch oder diskriminierend war oder ist, wird oftmals nicht denjenigen gelassen, die tagtäglich von Rassismus betroffen sind.
Gerade in Deutschland lässt sich ein starkes Distanzierungsbedürfnis feststellen, wenn es darum geht den Begriff „Rassismus“ für gegenwärtige Probleme zu verwenden, die sich nicht als klar rechtsextremistisch kategorisieren lassen. So wird auch häufig der Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ verwendet, was dazu beiträgt Rassismus zu „verstecken“ hinter einer Angst vor dem vermeintlich Fremden.
Allein schon die Annahme bzw. Wahrnehmung eine Person sei anders, fremd bzw. nicht deutsch, weil sie nicht weiß ist, ist ein tief in der Gesellschaft verankertes rassistisches Muster. In diesem Zusammenhang wird auch häufig vom Postkolonialismus gesprochen. Das heißt, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, die geprägt durch die Kolonialzeit und die Vorstellung einer vermeintlichen weißen Vorherrschaft dazu führt, dass rassistisches Denken bis heute in gesellschaftlichen Strukturen tief verankert ist. Hiermit beschäftigt sich auch die kritische Weißseinsforschung (critical whiteness).
Welche Erfahrungen haben Menschen gemacht, die rassistisch diskriminiert wurden?
Viele POC (people of colour) – eine selbstgewählte Bezeichnung von Menschen, die von Rassismus betroffen sind – berichten davon, dass der Rassismus „tief in ihre Körper eingeschrieben ist.“ Das heißt, die meisten POC erinnern sich z.B. ganz genau, wann sie das erste Mal in ihrem Leben zu Fremden, zu Anderen gemacht wurden und wie diese sich oftmals wiederholende Erfahrung „Nicht dazu zu gehören“ ihr gesamtes Selbstbild und ihre Identität bestimmt. In der Wissenschaft wird hier von „Othering“ gesprochen: Die Einteilung in das Eigene/Vertraute, dem das Fremde/Andere gegenübersteht.
Die gängige Konstruktion von „Wir“ und die „Anderen“ führt dazu die vielfältigen Identitäten, die alle Menschen haben (wie z.B. Frau*, Student*in, Mutter*, Lehrer*in, Katzenliebhaber*in etc.), unsichtbar zu machen und ausschließlich eine Facette in den Vordergrund zu stellen, danach zu urteilen und zu bewerten.
Welche Rolle spielt Rassismus in der Debatte um Migration?
Rassismus spielt auch in vielen Debatten über „Migration“ oder „Integration“ eine große Rolle. So hält sich ungeachtet der vielschichtigen Perspektiven und Erfahrungswelten, die Menschen in einer diversen Gesellschaft haben, hartnäckig die Annahme, es gebe eine statische „deutsche Gesellschaft“, in die sich eine als „fremd“ bezeichnete Gruppe einfügen oder „integrieren“ müsste, die unter dem Begriff „Migrationshintergrund“ zusammengefasst wird. Hierfür werden meist Voraussetzungen wie Spracherwerb, legale Beschäftigung oder das Befolgen von Regeln einer imaginierten „deutschen Leitkultur“ angeführt. Auch „Religion“ spielt als Einordnungsmuster eine Rolle z.B. bei Formen des antimuslimischen Rassismus, dem oft Frauen*, die ein Kopftuch tragen, ausgesetzt sind.
Im Sinne eines intersektionalen Verständnisses sind Frauen* mit Rassismuserfahrungen anders als Männer* mit Rassismuserfahrungen betroffen. Sojourner Truth, eine Aktivistin aus den USA, die sich gegen Sklaverei und für Frauenrechte einsetzte klagte bei einer Frauenrechtsversammlung in Ohio 1851: „Ain’t I a Women“ (Dt.: Bin ich keine Frau?) und machte damit darauf aufmerksam, dass die damalige Frauenbewegung vorrangig eine Bewegung von weißen Frauen war und nicht-weiße, nicht-privilegierte Frauen* ausschloss.
Audre Geraldine Lorde machte mit ihrem Ausspruch „Ich bin schwarz, lesbisch, Feministin, Kriegerin, Dichterin, Mutter.“ auf die vielfältigen Identitäten von Frauen* und den damit einhergehenden spezifischen Benachteiligungen aufmerksam.